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Was EPC-Projekte mit kognitiver Verzerrung zu tun haben - Teil 2

19.04.2024 / Lesezeit: 3 Minuten

Im vorangegangenen Blogbeitrag lieferte die Sozialwissenschaft spannende Gründe dafür, weshalb EPC-Projekte wiederholt eine mangelhafte Projektplanung aufweisen und es oftmals zu einem drastischen Anstieg des Ressourcenverbrauchs kommt.

Wie diese Effekte vermieden oder zumindest reduziert werden können, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag. Wir geben Ihnen konkrete Tipps an die Hand und zeigen Ihnen, welche Aspekte zu einem erfolgreichen Abschluss von EPC-Projekten führen.

 

Methoden zur Vermeidung des Planungsfehlschlusses

Daniel Kahneman, Amos Tversky und Bent Flyvbjerg entwickelten das sogenannte „reference class forecasting“, um die Effekte des Planungsfehlschlusses beim Treffen von Entscheidungen zu eliminieren oder zu reduzieren. Dabei wird die Vorhersage anhand von Ergebnissen ähnlicher Situationen in der Vergangenheit erstellt – klingt einfach, ist es aber nicht:

Am Anfang des Projekts und in jeder vorgelagerten Phase scheint der Detailgrad einer Planung als übertrieben, obwohl dies nicht der Fall ist. Aufgrund der Tatsache, dass Stakeholder meist keine Experten im Projektmanagement sind, erwarten diese – speziell bei terminkritischen Projekten – den raschen Nachweis erster Ergebnisse.

Dadurch entsteht ein beträchtlicher Druck auf die Projektleitung und das Projektteam, diese Ergebnisse (Dokumente, Zeichnungen, Berechnungen) zeitnah zu liefern. Die Entscheidung zwischen der Erfüllung dieser Erwartungen oder der notwendigen professionellen Planung führt leider in vielen EPC-Projekten zur Priorisierung der Erwartungen der Stakeholder.

Zeit- und Kostenersparnis bei guter Projektplanung

Dieser Druck wird durch die „pain curves“ gut illustriert:

Beginnt das Projektteam rasch mit der inhaltlichen Arbeit und vernachlässigt dadurch die Projektplanung, so kommt es im späteren Projektverlauf zu zeit- und kostenintensiven Problemen und die „Rule of Ten“ wird spürbar (siehe Grafik – grauer Graph).

Werden hingegen Zeit und Kosten für eine gute und detaillierte Projektplanung verwendet, so sinkt die Wahrscheinlichkeit für später auftretende, unerwartete Probleme, die zu einem enormen Anstieg für Fehlerkorrekturkosten führen. Außerdem verkürzt sich erfahrungsgemäß die Projektlaufzeit bzw. kann sie wie geplant eingehalten werden (siehe Grafik – oranger Graph).

3 weitere Faktoren für erfolgreiche EPC-Projekte

Einen wesentlichen Einflussfaktor bei der Vermeidung der im vorangegangenen Blogartikel genannten Problemfelder haben Sie mit dem Wissen über „pain curves“ bereits kennengelernt. Drei weitere Erfolgsfaktoren möchten wir nachstehend mit Ihnen teilen: Planungstiefe, „Reference Class Forecasting“ und Lessons Learned.

Planungstiefe im Projektmanagement – ein Muss

Welcher Detailgrad in der Vorbereitung eines Projekts ist erforderlich oder richtig?

Wie erwähnt, wird in jeder vorgelagerten Phase und speziell bei Projektstart ein entsprechender Detailgrad der Planung als übertrieben erachtet, da deren Folgen meist in weiter Zukunft liegen. Damit wird die Relevanz der Projektplanung unterschätzt.

Die Planung ist allerdings die Basis für die Koordination und Steuerung der inhaltlichen Abwicklung des Projekts. Auf sie wird während des Controllings im Projekt referenziert. Ohne eine entsprechend detaillierte Planung hat ein Projektteam keine Möglichkeit, Abweichungen (und bereits Tendenzen) zeitgerecht zu erkennen.

Vergangene Projekte und die Erkenntnisse daraus zeigen den nötigen Detailgrad für eine sorgfältige Planung. Dieser muss konsequent eingefordert und eingehalten werden, auch wenn eine derartige Detailtiefe des Projekts momentan eventuell übertrieben erscheint. Quality Gates oder Stage Gates (Haltepunkte im Projekt) helfen dabei, sich selbst und das Team zu 'disziplinieren'.

Checkliste Quality Gates/Stage Gates

Anwendung von „Reference Class Forecasting“

 

Wie bereits kurz angeschnitten, beschreibt das „Reference Class Forecasting“ eine Methode zur Prognose von zukünftigen Projekten, indem ähnliche Situationen in vergangenen Projekten und deren Ergebnisse betrachtet werden.

Im Zuge dessen arbeitet man mit Benchmarks. Basierend darauf kann die Planung der Projekte aufgebaut bzw. plausibilisiert werden. Damit werden allzu optimistische Annahmen im Terminplan und zu geringe Schätzungen bei den Ressourcen vermieden oder zumindest offensichtlich.

Speziell Engineering-Aufwände werden in EPC-Projekten erfahrungsgemäß konsequent unterschätzt. Oftmals fehlen Aufzeichnungen aus abgeschlossenen Projekten oder diese wurden – wenn vorhanden - keiner Analyse unterzogen, um sie für Prognosen zukünftiger Projekte zu nutzen. Das bringt uns zum nächsten Erfolgsfaktor: den Lessons Learned.

Lessons Learned

Lessons Learned
Wie so oft im Projektmanagement möchten auch wir an dieser Stelle auf Lessons Learned hinweisen. Immer wieder stiefmütterlich behandelt, könnten aufschlussreiche Erkenntnisse für die Planung nächster Projekte mitgenommen werden. Dadurch wird der vermeintliche Mehraufwand am Ende eines Projekts zum Vorteil in der Projektstart- und Vertriebsphase von zukünftigen Projekten.

Oft fehlt die Analyse der Probleme in Montage- und Inbetriebnahmephasen und wir tendieren dazu, diese anhand kürzlicher Ereignisse zu erklären. Viele haben ihren Ursprung in der Vergangenheit (in einer frühen Phase des Projekts) und können vermieden werden.

Eine strukturierte Vorgangsweise bei der Erarbeitung von Lessons Learned kann verhindern, dass Fehler sich in Projekten wiederholen, aber auch, dass positive Erkenntnisse nachhaltig Eingang in die Projektabwicklung finden. Letztendlich muss jeder Punkt aus Lessons Learned zu einer Veränderung führen – auch positive Erfahrungen, denn sie sind oft ein Produkt des Zufalls und müssen in zukünftigen Projekten aktiv sichergestellt werden. Dies geschieht entweder durch eine Abänderung von Vorlagen oder eine Anpassung von Prozessen und Abläufen.

Dazu ist es aber notwendig – und damit schließt sich der Kreis zur Planung – die zeitlichen Aufwände (Ressourcen) und Kosten bereits zu Beginn des Projekts vorzusehen. Andernfalls wird das Projektteam die Aufwände nicht betreiben und die Linienorganisation die notwendigen Kapazitäten nicht zur Verfügung stellen.

 

Alles Wissen über die oben genannten Effekte und systematischen Fehler hilft aber nur dann, wenn wir auch bereit sind und konsequent unser Handeln ändern.

Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.
Johann Wolfgang von Goethe